Familienleben
in Boquete, Chiriquì
Marias Familie ist nach
mitteleuropäischen Begriffen nicht wohlhabend, man schlägt sich so
durch.
Die Lebenshaltungskosten erscheinen für unsere Augen auf den ersten
Blick sehr niedrig, aber
das täuscht. Vieles (wie Fleisch und andere Lebensmittel) kostet in
Panama zwar nur halb so viel (oder sogar noch weniger) wie in
Deutschland, aber vieles kaum verzichtbares liegt auf ähnlichem
Niveau.
Und die Einkommen liegen oft im Verhältnis sehr viel niedriger, so dass
der Lebensstandard vieler Familien der unteren Einkommenskategorien
recht niedrig ist. Dass das Benzin (inzwischen wieder) nur etwa 2,20
US-Dollar/Gallone kostet (etwa 0,45 Euro), nützt einer Sekretärin
wenig, die sich mit ihren 350 US-$ (rd. 270 Euro) netto im Monat bei 48
Stunden je Woche ohnehin kein Auto leisten kann und auf öffentliche
Verkehrsmittel angewiesen ist. Das Durchschnittseinkommen in
nichtakademischen, aber durchaus qualifizierten Berufen liegt um die 400
US-$ netto (rd. 300 Euro). Da schlägt es durchaus zu Buche, wenn ein Kühlschrank hier
fast genau so viel kostet wie in Europa und die Kilowattstunde Strom
ebenfalls. Warmes Wasser kommt nur bei den Familien mit höherem
Einkommen aus dem Hahn, die meisten duschen kalt. Falls sie überhaupt
eine Wohnung mit Duschbad besitzen.
Was aber nicht heisst, dass man
das Leben nicht zu geniessen versteht. Die Leute hier mögen nach mitteleuropäischen
Begriffen arm sein, die Häuser sind sehr schlicht und für neue Möbel
oder anderen "Luxus" reicht das Geld oft nicht, aber an Lebensfreude mangelt es ihnen
dennoch nicht.
Da
ist der Familienverband ein ganz wichtiges Element. In Marias Familie besucht
man sich
gegenseitig oft, jeder hilft jedem und abends trifft man sich oft
im Hause der Eltern (die inzwischen bereits Urgroßeltern sind), kocht
und isst gemeinsam, erzählt, lacht, spielt Bingo, macht Musik, reicht
die Kleinsten herum und herzt sie.
Überhaupt, die Kleinsten sind in dieser Familie die Wichtigsten, das
sehe ich an Liz, Marias achtmonatiger Enkeltochter. Selbst die anderen
Kinder, auch die Jungen, wollen das Baby immer wieder auf den Arm
nehmen, lachen es an, machen Clownerien, um ihm ein Lachen oder eine
andere Reaktion zu entlocken. Da wird soziales Verhalten auf beste Weise
bereits in die Wiege gelegt, so scheint es.
Fast immer läuft bei den spontanen
Familientreffen der Fernseher,
aber kaum einer schaut wirklich hin. Nicht immer sind alle dabei, nicht
alle wohnen so nahe beim elterlichen Haus. Eine Tochter lebt in den USA,
eine andere in Costa Rica, wieder andere leben in anderen Teilen
Boquetes oder weiter entfernt in Panama. Aber es gibt immer wieder
Anlässe, sich auch in kleinerem Kreis zu treffen ... wobei der
"kleinere Kreis" schnell 10 oder mehr Personen umfassen kann.
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Die ganze Familie ist zum
Feiern versammelt, Töchter und Söhne, Onkel und Tanten,
Nichten und Neffen, Urgrosseltern und Enkelkinder
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Ich bin erst seit Anfang Januar hier,
habe aber bereits öfters Gelegenheit gehabt, Marias Familie zu treffen,
die mich sehr herzlich aufgenommen hat. Da gab es ein Familienfest gegen
Ende Januar, bei dem auch Verwandte aus Costa Rica zu Besuch waren und
bei dem Musik gemacht und gesungen wurde.
Jeder trug etwas bei, die
einen brachten Lebensmittel oder fertig gekochte Speisen mit, andere
halfen beim Kochen oder besorgten Getränke. Da trifft es sich gut, dass zwei der Töchter
gemeinsam mit ihren Partnern ein kleines Restaurant in der Nähe der
Blumenmesse von Boquete betreiben und sehr
lecker kochen.
Nach
dem gemeinsamen Essen griffen der (Ur-) Grossvater und einer seiner
Söhne zusammen mit einem Freund der Familie zur Gitarre und spielten
und sangen populäre Lieder aus Mittel- und Südamerika.
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Ein
Ausflug ans Meer (Las
Lajas, Chiriquì, 15.Februar 2009)
Einmal im Jahr
macht Marias Familie einen gemeinsamen eintägigen Ausflug ans Meer, an
den Strand von Las Lajas an der Pazifik-Küste, ungefähr 3 Stunden
Fahrt mit dem Bus von Boquete aus. Für
viele von ihnen ist das eines der wenigen grösseren Vergnügungen, die
sie sich leisten können (von größeren Reisen ganz zu schweigen).
Wenn diese Familie ihren Jahresausflug
macht, braucht sie einen mittleren Reisebus, denn da kommen schnell 30
Personen zusammen. Und damit ist es nicht getan, denn neben dem
persönlichen Gepäck jedes einzelnen müssen die Lebensmittel nebst Eis
zum frisch halten, das Kochgeschirr im Restaurantformat,
Getränkevorräte und Gerätschaften bis hin zum Feuerholz und großen
Zementbausteinen zum Herrichten der Feuerstelle mitgebracht werden.
Entsprechend ist der Bus dann brechend voll, manchen Sitz können nur
kletterfähige Personen (meist Kids) über Gepäckberge erreichen. Die
einzige Fahrgasttür ist denn auch derart zugestellt, dass sie zum
Aussteigen jedes Mal in einer komplizierten Prozedur frei gemacht werden
muss. Mit deutschen Vorstellungen von Sicherheitsvorschriften hat das
wenig gemeinsam, aber die Leute hier haben viel Vertrauen in den lieben
Gott. Und offenbar denkt die Polizei hier ebenso, denn keinmal, wenn es
aus dem einen oder anderen Grunde eine Kontrolle gab, machte der
einsteigende Polizist in dieser Hinsicht irgendeine Bemerkung. |
Die
Vorbereitungen zur Fahrt begannen bereits am Vortag mit der
Vorbereitung der Speisen. Ich selbst begnügte mich mit dem Zerkleinern
der frischen Ananas (piña) für den Obstsalat und schaute bei der
Zubereitung der Tortillas zu. Hierzu war bereits Maisbrei
(ähnlich wie italienische Polenta) mit fein zerkleinertem
panamenischen Weisskäse zu einem festen Teig verknetet worden.
Daraus werden dann Bällchen geformt, die dann zwischen zwei
Plastikfolien mit einem Teller zu einer ca. 1 cm dicken Scheibe
gepresst und mit einer runden Form ausgestochen werden. Diese
Roh-Tortillas wurden dann am nächsten Tag vor Ort in heissem Öl
frittiert und als Beilage zum typisch panamesischen Frühstück
(!) mit in Gemüse gekochter Rinderleber (tortillas con higado)
verzehrt. |
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Kurz nach Mitternacht kam dann
der bestellte Bus an, es wurde eingeladen und kurz darauf ging
die Fahrt los. Nach rund einer Stunde machten wir in David
zunächst einmal an dem grossen Supermarkt Rey Halt, um noch
etwas Proviant für die Fahrt und Getränke zu kaufen, dann ging
es weiter über die Panamericana zum Strand von Las Lajas, wo
wir gegen vier Uhr früh eintrafen. Dank des Mondlichts war es
nicht ganz dunkel und so konnten wir uns einigermassen bequem
unter dem langen Palmdach ("rancho") einrichten, wo bereits über hundert
andere Strandgäste an quer stehenden Holzbänken
ihre Lager aufgeschlagen hatten. Einige unserer Leute bauten
für sich in der Nähe am Strand ein Zelt auf, andere legten
Decken auf den Boden oder spannten zwischen den Pfosten
Hängematten auf. Für den Rest der Nacht versuchten wir, noch
etwas zu schlafen, was mir angesichts der angenehmen Temperatur
trotz des recht harten Bodens recht gut gelang.
So gegen 7 Uhr erwachte ich vom allgemeinen Töpfeklappern und
Stimmengewirr, die Vorbereitung des Frühstücks hatte offenbar
begonnen. Einige Männer der Familie hatten bereits den "fogón",
das Herdfeuer aus mitgebrachten Zementbausteinen aufgebaut und
die Frauen waren dabei, die Tortillas in Öl zu backen. |
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Die am Vorabend geformten Tortillas werden in
siedendem Öl knusprig
ausgebacken.
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Nebenan schmort die geschnetzelte Rinderleber
mit Zwiebeln und
Paprikagemüse
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Großvater legt beim Kochen selbst mit Hand an.
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Das Frühstück mit Tortillas und Leber ist zwar
ungewohnt deftig, aber
durchaus lecker.
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